Bei Wildbienen ist ein alarmierender Schwund in der Population festzustellen

Experten wie der Stuttgarter Biologe Hans-Richard Schwenninger und der Landshuter Wildbienenspezialist Erwin Scheuchl schlagen Alarm wegen des massiven Rückgangs wild lebender Bienenarten. 585 Arten sind deutschlandweit bekannt, 460 sind es in Baden-Württemberg. 52 Prozent der Wildbienenarten gelten jedoch als ausgestorben, bestandsgefährdet oder nur noch extrem selten vorkommend. Seit 2010 ist der Schwund rasant. Die Fachleute machen selbst in wildkräuterreichen Gegenden in Süddeutschland auch bei bislang häufigen Arten nur noch einzelne Tiere aus. Das haben sie trotz 30-jähriger Berufserfahrung noch nicht erlebt.

Bei dem Schwund handele es sich nicht um lokale Phänomene, denn selbst ausgewiesene Schutzgebiete seien von einem Rückgang betroffen, notieren die beiden Fachleute in einer aktuellen wissenschaftlichen Fachpublikation. Die Intensivierung der Landwirtschaft spielt für die Experten die herausragende Rolle bei der Ursachenforschung. Sie verweisen auf Studien zum Einsatz von Pestiziden, insbesondere der Neonicotinoide, die etwa beim Rapsanbau zum Einsatz kommen und beispielsweise die Populationsdichte bei Wildbienen verringern. Die Auswirkungen des Pestizids auf die Insekten sind deshalb so gravierend, weil es sich nicht in den Pflanzen selbst, sondern überwiegend im Boden anreichert – genau dort, wo dreiviertel der Bienenarten nisten. Schon in geringen Mengen wirkt es toxisch. Doch auch über Umwege schadet es den Bienen: Neonicotinoide werden von Nacktschnecken aufgenommen, die selbst keine Reaktionen zeigen, wohl aber deren Fraßfeinde, bestimmte Laufkäferarten. Die Folge sind mehr Schnecken, die den Bienen die dringend benötigte Nahrung, Wildkräuter, wegfressen.

Dass bunte Wiesen inzwischen ein seltener Anblick sind, hat eine weitere Ursache: Der erhöhte Stickstoffeintrag im Boden fördert das Wachstum von Gräsern, die sich per Windbestäubung vermehren und blühende Pflanzen verdrängen. Und schließlich gibt es Nahrungskonkurrenz mit Honigbienen. Weil Zuchtbienen in der Kulturlandschaft insbesondere im Sommer kaum noch Nahrung finden, stellen viele Imker ihre Völker in Naturschutzgebieten auf. Imkern liegt im Trend, und dieses Vorgehen kann die Wildbienen zusätzlich gefährden.

Auch Wolf-Dieter Riexinger von der Unteren Naturschutzbehörde im Heilbronner Rathaus teilt die Sorge. Als aufmerksamer Beobachter der Natur erkennt Biologe Riexinger ebenfalls „deuliche Einbrüche“ bei Wildbienen, Hummeln, Schmetterlingen oder anderen Insektenarten. Seit 2013 ruft ein Kuratorium – dahinter stehen unter anderem Bürgerstiftung Stuttgart, Wildbienenkataster, Naturkundemuseum und Landesanstalt für Bienenkunde – die Wildbiene des Jahres aus, um die Gefährdung der Arten zu verdeutlichen.

2017 fiel die Wahl auf die Knautien-Sandbiene (Andrena hattorfiana), die den fatalen Kreislauf verdeutlicht. Die Bienenart, benannt nach der früher weit verbreiteten, rosafarbenen Wiesenblume, ernährt sich ausschließlich von deren Pollen und Nektar. Die Knautie ist durch intensive Düngung und frühem und häufigem Schnitt der Wiesen massiv zurückgedrängt. So ist auch die Wildbiene bedroht und steht als gefährdete Art inzwischen auf der Roten Liste.

Quelle: Stimme.de, 01.04.17
http://www.stimme.de/heilbronn/nachrichten/region/region/Das-Summen-ver…