Die These, dass Ratten, die ihr Leben lang gentechnisch veränderten Mais erhalten, früher sterben als Tiere, die mit konventionellen Mais gefüttert werden, ist experimentell nicht ausreichend belegt. So lautet das Fazit einer Bewertung, die das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) nach Veröffentlichung der Publikation „Long term toxicity of a Roundup herbicide and a Roundup-tolerant genetically modified maize” von Gilles-Eric Séralini und anderen in der Fachzeitschrift „Food and Chemical Toxicilogy“ durchführte. „Die Studie hat sowohl Schwächen im Design als auch in der statistischen Auswertung, so dass die Schlussfolgerungen der Autoren nicht nachvollziehbar sind“, sagt Professor Dr. Reiner Wittkowski, Vizepräsident des Bundesinstituts. Auch die Aussage, dass möglicherweise die Langzeitaufnahme des glyphosathaltigen Pflanzenschutzmittels Roundup zu schweren Gesundheitsschäden und früherem Versterben führen, sei nicht ausreichend belegt. Zu Glyphosat als herbizidem Wirkstoff liegen zahlreiche Langzeitstudien vor. Krebs, eine höhere Sterblichkeit oder Einflüsse auf das Hormonsystem der Versuchstiere, wie sie die Autoren in der Publikation berichten, sind in diesen Untersuchungen nicht beobachtet worden.
Mitte September 2012 veröffentlichte ein Wissenschaftlerteam um Gilles-Eric Séralini an der Universität von Caen in Frankreich Ergebnisse einer Langzeitstudie mit Ratten, denen gentechnisch veränderter, glyphosattoleranter Mais verabreicht worden war. Ein Teil des gentechnisch veränderten Mais war dabei mit einem glyphosathaltigen Pflanzenschutzmittel (Roundup) behandelt worden, ein anderer Teil war unbehandelt. Der Mais wurde jeweils in drei Dosierungen gegeben. Zusätzlich wurden anderen Tieren, die mit konventionellem Futter gefüttert wurden, Roundup über das Trinkwasser in drei Dosierungen gegeben. Eine Kontrollgruppe wurde mit nicht gentechnisch verändertem Mais gefüttert. Die Autoren berichten, dass die Tiere in einigen der Testgruppen früher Tumoren und andere Organschäden entwickelt hätten und früher gestorben seien als in der Kontrollgruppe. Die Ergebnisse könnten durch Hormonwirkungen von Roundup sowie von Inhaltsstoffen des gentechnisch veränderten Mais hervorgerufen sein.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat die Studie hinsichtlich der Relevanz für die Einschätzung des gesundheitlichen Risikos von gentechnisch verändertem, glyphosattolerantem Mais und auch für die Einschätzung des gesundheitlichen Risikos von Glyphosat als Wirkstoff bewertet. Das BfR kommt auf Grundlage der Publikation zu dem Ergebnis, dass die Hauptaussagen der Veröffentlichung experimentell nicht ausreichend belegt sind. Zudem sind aufgrund der Unzulänglichkeiten des Studiendesigns sowie der Art der Präsentation und Interpretation der Daten wesentliche Schlussfolgerungen der Autoren nicht nachvollziehbar.
Kritisiert wird an der Studie insbesondere die viel zu kleine Anzahl an Tieren pro Gruppe, die nicht den Empfehlungen international aner-kannter Standards für Studien zur kanzerogenen Wirkung entspricht. Der verwendete Rattenstamm weist eine relativ hohe Spontantumorrate insbesondere für Mamma- und Hypophsentumoren auf, und die verwendete Tierzahl ist zur Bewertung der von den Autoren behaupteten Unterschiede zwischen den Test- und der Kontrollgruppe nicht ausreichend. Auch die These der Autoren, die beobachteten Effekte könnten auf endokrin-schädlichen Wirkungen beruhen, sind nicht hinreichend durch die erhobenen Daten gedeckt. Das BfR bemängelt weiterhin, dass bei den Untersuchungen mit dem glyphosathaltigen Pflanzenschutzmittel Roundup keine Bestimmung der verabreichten Dosis erfolgte. Außerdem sind die erhobenen Daten nur unvollständig dargelegt.
Das BfR hat die Autoren aufgrund dieser Schwächen der Studie gebeten, den vollständigen Studienbericht einschließlich der individuellen Tierdaten zur Verfügung zu stellen und darüber hinaus spezifische Fragen gestellt, um eine weiterführende Bewertung der berichteten Effekte zu ermöglichen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftliche Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien und Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.
Quelle:BfR, 1.10.2012
http://www.bfr.bund.de/de/presseinformation/2012/29/studie_der_universi…
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Kommentar Dr. Anton Safer, Biometriker
nachdem ich 32 Jahre lang alle möglichen Tox-Studien biometrisch betreut habe, muss ich Ihnen (bei aller Sympathie für das Anliegen) leider sagen: diese Studie ist leider nicht so gut und zuverlässig wie ich sie mir gewünscht hätte.
Für eine umfassende Kritik der Arbeit von Seralini fehlt mir leider die Zeit. Deshalb nur ein paar kurze Anmerkungen dazu.
Lassen Sie mich mit dem Positiven beginnen:
• An der Studie einmalig ist, dass sie für Sprague-Dawley Ratten eine "lifetime cancer" studie ist. Es existieren meines Wissens keine Studien zu GMO oder R, die auch nur annähernd diese Dauer hätten.
• Die Patologische Evaluation scheint umfassend zu sein: Es wurden etwa gleich viele Organe befundet (makroskopisch/mikroskopisch) und deren Gewichte ermittelt wie bei Arzneimittel-Sicherheitstox-Studien üblich.
So eine Studie ist ein riesiger Aufwand, vor allem durch die lange Dauer. Das ist schon sehr positiv.
Aber einige ernsthafte Mängel stellen das Ergebnis leider in Frage:
1. Die Studie ist unterpowert (zu wenige Versuchstiere) IRC-Richtlinien empfehlen 50 Tiere/Gruppe und Geschlecht. Man sollte mE mindestens 25 haben; also eher 1000 (min. 500) und nicht 200.
Wenn man schon Tiere einspart, dann sollte wenigstens die Kontrollgruppe proportional zur Quadratwurzel aus der Zahl der Vergleichsgruppen sein, also für n=10 in der Kontrolle Wurzel(9)*n = 30, um den Powerverlust und die Unsicherheit über die Schwankungsbreite der Beobachtungen zu verringern.
2. Das Design ist etwas ungewöhnlich, und braucht eine bessere Begründung. Die Dosiswahl ist im Hinblick auf Maisanteil und R-Dosierung nicht sauber begründet. Die Fütterung der Kontrollgruppe sollte ebenfalls im Hinblick auf die gewählte Maissorte begründet werden. Unklar ist: war es immer derselbe Mais, unbehandelt von Agrochemikalien (auch in den Vorjahren keine PSM auf dem Feld?).
3. Selbstredend gehören Futter- Und Wasserkonsum wie auch die Messung der Gewichtsverläufe der Einzeltiere zum unabdingbaren Standard. Ich vermisse dazu eine korrekte Berichterstatung.
4. Ebenso sollten vor Beginn und im Verlauf der Studie Laborproben/Rückstellmuster von R und allen verwendeten Maissorten, sowie dem verabreichten Fertigfutter und Wasser gezogen werden. Wirkstoffgehalt, Toxine (Metalle, Aflatoxine uam), und Zusammensetzung der Futtermittel müssen in regelmässigen Abständen untersucht werden (zB alle 3 Monate und auf jeden Fall bei Studienende). Zusätzlich: Für R sollte eine Stabilitätsuntersuchung (min. 6 Monate) vorliegen, und sich auf Reinsubstanz Glyphosat und Wallowamine beziehen, um die Stabilität feststellen zu können (ggf Abschätzung von Wirkverlust).
Die aufgenommene Wirkstoffmenge (bzw. Maismenge) lässt sich aus dem Wasserverbrauch (/Futterverbrauch)und der gegbenen Konzentration von R (/GMO-Maisanteil) berechnen. Hier wäre es doch interessant zu wissen, ob die Wirkstoffmenge mit der Frühzeitigkeit der Tumorentstehung bei den Weibchen bzw mit Leber/Nierenschäden bei den Männchen korreliert. Das wäre zwar immer noch Statistik und kein Beweis, aber sehr wohl ein Indiz für die Richtigkeit der Annahmen einer möglichen Kausalbeziehung. Futteraufnahme: analog zu Wasser ... missing.
5. Die Messung der Plasmaspiegel von R&Metaboliten & Wallowamine vor Behinn und im Verlauf der Zeit mehrfache Messung in allen Gruppen wäre heute ein unabdingbarer Standard (Dosis-Akkumulation könnte im Plasma und in den Geweben erfolgt sein. Dann könnte man kausale Schlüsse ziehen; paralell dazu die Messung der Hormonspiegel. Unterlässt man das (wie Serlini&Co. ) dann kann man auch die Hypothese der endogenen Disruption durch R+GMO-Mais nicht glaubwürdig diskutieren. Und wenn man schon so viele Organe befundet & gemessen hat, dann runden deren Gewebsspiegel bei Sektion das Bild ab.
6. Die Statistik ist das reinste Hokuspokus-Kabinett der multivariaten Verfahren, Ich stelle mir die Frage warum die Autoren gleich mit so einem schlecht begründeten und begründbaren Stall an Verfahren aufwarten. Klassischerweise sollte man univariate Analysen vor den multivariaten machen, und seine Befunde in "klassichen" Grafiken (Verteilungen, Verlaufskurven) darstellen. Starke Effekte werden auch univariat deutlich.
7. Dafür fehlt ein ganz wichtiger Test für die Frühzeitigkeit des Anfangs der Tumorentwicklung (nach Preto&Peto), oder aber eine Cox proportional Hazard-Aanalyse. Warum wird die wohl unterlassen? Weil´s mangels Power nicht signifikant wird?
Tumorentwicklung bei SpD-Ratten (ähnlich wie auch bei Wistar-Ratten) ist eine übliche und Altersbezogene Entwicklung. Die Raten können sehr stark schwanken, so dass man aus der Rate alleine noch nichts ableiten kann. Insoferne haben Ratten mit Menschen viel gemeinsam: die Tumorrate steigt mit dem Alter. Man stirbt meist an Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Infektionen. Entscheidend ist wie früh die Tumore auftreten, und welcher Typ Tumor wie aggressiv auftritt. Hier zeigt Seralini Bilder (für Normalbürger schockierend), aber er bleibt leider den überzeugenden Beweis durch eine klare Datenanalyse schuldig. Einzelbeispiele taugen hierfür kaum. Ich habe auch schon bei Kontrolltieren große Tumore gesehen, gerade von Brustkrebs, der ja auch fast explosionsartig wachsen kann, und häufig Metastasen bildet. Und ja, hierfür ist sein Stichprobenumfang zudem noch viel zu gering. Wenn er wenigstens eine größere Referenzpopulation aus vorgehenden Versuchen mit unbehandelten Kontrollen dargestellt hätte, dann könnte man wenigstens sehen, wie seine Kontrolle liegt, und ob der Trend in seinen Versuchsgruppen außerhalb des mutmaßlichen Kontrollbereichs der Referenzpopulation liegt. Das könnte seine Interpretation stützen.
Am ehesten überzeugt mich noch die aufgeführte Frühzeitigkeit der Tumorbildung (festgestellt durch Palpieren). Wie gesagt, leider statistisch nicht sauber aufgearbeitet. Kann also nicht wirklich beurteilt werden.
8. Die Erklärung der Wirkmechanismen beruht auf früheren Publikationen und in erster Linie auf iv-vitro-Zellkultur-Ergebnissen. Für mich bleibt das ein Hypothesengebäude, das viele Fragen offen lässt, die durch die präsentierten Ergebnisse aus der Studie nicht überzeugend gestützt wird. Die Messung von Hormonspiegeln ist zB hoch volatil, weil diese sowohl von der vom Oestrus als auch von Tages-und Jahreszeit abhängen. Eine statistische Assoziation ist nur dann sinnvoll durchzuführen wenn man viele Messungen an allen Einzeltieren hat, und eine sehr gute, stabile Analytik um überhaupt die Veränderungen zuverlässig beurteilen zu können. Dies hat die Seralini-Studie mutmaßlich ignoriert. Auf Grund des Vergleichs der Östrogenspiegel der weiblichen Ratten GMO-Mais 33% zu Kontolle ergibt sich m.e kein Unterschied. Ich frage mich warum die Ergebnisse der anderen Gruppen nicht ebenfalls dargestellt wurden. Das überzeugt mich nicht.
Schon gar nicht, weil die Arbeit statistische Zusammenhänge offenbar als (beinahe) kausal deutet.
9. Ich könnte diese Liste noch lange fortsetzen. Mein Eindruck: Hier wurde zumindes bei Auswertung und Bericht nicht seriös gearbeitet, sondern Rosinenpicken betrieben, und Statistik "vergewaltigt".
Ich finde es schade, dass so ein guter Ansatz am Ende doch missraten ist, und nicht zu wissenschaftlich fundierter Beweisführung taugt. Ich hätte mir das anders gewünscht! Die Industrie manipuliert häufig, aber sie macht es geschickter.
Fragen zur Sicherheit von R & GMO-Mais haben zunächst mal Futter bekommen, und das ist gut so.Wenigstens wird diskutiert.
Schlecht, dass der Pfeil am Panzer der Industrie und Behörden abprallen kann. Leider zu Recht!
MfG
Anton Safer