Jede dritte untersuchte Art in Deutschland ist nach Angaben des Bundesamts für Naturschutz (BfN) gefährdet. Das geht aus dem ersten umfassenden Artenschutz-Report hervor. Laut Artenschutz-Report kommen in Deutschland insgesamt rund 72.000 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten vor. In der Roten Liste wurden über 32.000 heimische Spezies auf ihre Gefährdung hin untersucht - mit einem nach BfN-Einschätzung ernüchternden Ergebnis: Rund 31 Prozent sind in ihrem Bestand gefährdet, vier Prozent bereits ausgestorben. Besonders dramatisch ist dem Bericht zufolge die Situation bei den wirbellosen Tieren, zu denen Insekten gehören: Knapp 46 Prozent der untersuchten Arten und Unterarten sind bedroht, extrem selten oder ausgestorben. Die Situation bei den Brutvögeln hat sich laut Bericht spürbar verschlechtert. Beim Kiebitz hat sich demnach der Bestand auf ein Drittel bis ein Viertel reduziert. Beim Rebhuhn gebe es sogar einen Rückgang von 90 Prozent. In Europa ist fast jede dritte Vogelart vom Aussterben bedroht oder steht auf der Warnliste, wie ein Bericht der EU-Kommission und der Europäischen Umweltagentur (EEA) zeigt. Hauptverursacher für den Rückgang vieler Arten sei die Landwirtschaft.
"Der Bericht legt den Finger in die Wunde", sagte Christoph Heinrich von der Umweltorganisation WWF. "Die Bundesregierung ist meilenweit davon entfernt, ihre eigenen Ziele beim Artenschutz zu erreichen." Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) findet den Report alarmierend. Die Lage der Natur müsse ein "Weckruf an die Politik sein".
In Europa ist fast jede dritte Vogelart vom Aussterben bedroht
In Europa ist fast jede dritte Vogelart vom Aussterben bedroht oder steht auf der Warnliste - darunter auch die früher weit verbreitete Feldlerche und die Uferschnepfe. Der EU-Umweltbericht sieht aber auch Erfolge: So ist die Zahl der Bartgeier und Weißkopfruderenten in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen. Viele Arten leiden darunter, dass ihre Lebensräume schwinden. Besorgniserregend ist demnach die Entwicklung von Weiden, Feuchtgebieten und Dünen. Die größten Bedrohungen sehen die Experten in der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung mit Dünger und Pestiziden, im intensiven Fischfang und im Trockenlegen von Flächen.
77 Prozent der geschützten Lebensräume in der EU sind in schlechtem Zustand
Laut EU-Bericht sind 77 Prozent der geschützten Lebensräume für Tiere und Pflanzen in Europa in schlechtem oder sehr schlechtem Zustand. EEA-Direktor Hans Bruyninckx sagte: "Leider wird die Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten in Europa insgesamt noch immer ausgehöhlt." Besonders schlecht schneidet demnach die Ostsee-Region ab.
Der Bericht basiert auf Daten der EU-Staaten aus den Jahren 2007 bis 2012. Ein Teil der Auswertung ergab, dass fast ein Drittel der Lebensräume und rund jede fünfte Art 2012 in einem schlechteren Zustand war als zuvor. Dieser Trend werde sich fortsetzen. Naturschützer mahnen die EU-Kommission zu einem schnelleren Handeln. In einer Kampagne fordern nach Angaben der Umweltschutz-Initiative Friends of the Earth inzwischen mehr als 100.000 Europäer von der Kommission, die Umwelt- und Artenschutzvorgaben nicht zu schwächen.
Umweltschützer fordern Sofortprogramme
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordert in Deutschland und Europa ein Sofortprogramm, das bis 2020 konkrete Artenschutzerfolge bewirken müsse. "Kernelement des Artenschutzes müssen Reformen in der Landwirtschaft sein. Die industrielle Landwirtschaft verursacht zurzeit die größten Schäden an Natur und Umwelt", sagte BUND-Vorsitzender Hubert Weiger.
Quelle: Tagesspiegel, 20.05.2015
http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/berichte-zum-artenschutz-alarmie…
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