Amphibien sind die weltweit am stärksten gefährdeten Wirbeltiere. Auch in Deutschland steht mehr als die Hälfte der Frösche, Kröten und Molche auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten. Ergebnisse eines Forschungsvorhabens im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) deuten darauf hin, dass der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft mitverantwortlich für den Rückgang der Amphibien ist. In Versuchen führten Pflanzenschutzmittel bei Grasfröschen schon in anwendungsüblichen Mengen zum Tod vieler Tiere. Bei Vögeln und Säugetieren gibt es seit längerer Zeit die Diskussion, ob Pestizide über die Haut aufgenommen werden und wie groß die dadurch bedingte Gefahr ist. Die feuchte Haut von Amphibien absorbiert Stoffe in noch viel größeren Mengen, da sie im direkten Kontakt mit der Umwelt steht. Daher ist die Gefahr der „dermalen Exposition“ hoch. „Amphibien nutzen landwirtschaftliche Flächen als Lebensraum und überqueren sie auf ihren Wanderungen zu den Laichgewässern“, erläutert UBA-Präsident Jochen Flasbarth. „Die Studie zeigt Handlungsbedarf auf. Das Umweltbundesamt hält es für erforderlich, den Schutz der Amphibien in der Produktzulassung, aber auch in der landwirtschaftlichen Praxis stärker zu berücksichtigen.“
Pflanzenschutzmittel werden in der EU erst nach umfangreichen Untersuchungen zu ihrer Umweltverträglichkeit zugelassen. In Deutschland ist das UBA für die Bewertung des Umweltrisikos zuständig. Wenn dabei unvertretbare Risiken für den Naturhaushalt festgestellt werden, sind die Pflanzenschutzmittel nach europäischem Recht nicht zulassungsfähig. Eine Risikobewertung für Amphibien ist bislang nicht Bestandteil des auf europäischer Ebene festgelegten Bewertungsrahmens. Auf ihren Wanderungen von einem Lebensraum zum anderen können Amphibienarten aber landwirtschaftliche Flächen durchqueren. Manche Arten halten sich auch außerhalb der Wanderungszeiten auf Äckern und Wiesen auf. Dort können sie während oder nach der Ausbringung mit Pflanzenschutzmitteln in Kontakt kommen. Das UBA ließ deshalb prüfen, ob die Zulassungsbewertungen von Pflanzenschutzmitteln die Schutzbedürftigkeit von Amphibien ausreichend berücksichtigen. Bei Versuchen wurden zur Simulation des Pflanzenschutzmitteleinsatzes Grasfrösche mit sieben verschiedenen Präparaten besprüht. Sechs der getesteten Produkte führten zum Tod von 40 bis 100 Prozent der Frösche. Akut giftig wirkte bei dreien der Produkte bereits der Kontakt mit nur einem Zehntel der zugelassenen Aufwandmengen – er tötete 40 Prozent der Tiere innerhalb von sieben Tagen. Auf welche Mechanismen die beobachtete tödliche Wirkung der Pestizide auf Frösche zurückzuführen ist, konnte allerdings noch nicht geklärt werden. Die Stärke der Wirkung scheint auch von Lösemitteln abzuhängen, die Pestiziden beigemischt werden. Diese wirken entweder selbst giftig oder begünstigen das Eindringen der Wirkstoffe in den Körper. „Unsere Studie zeigt aber, dass schon jetzt dringender Handlungsbedarf besteht“, so Carsten Brühl vom Institut für Umweltwissenschaften Landau an der Universität Koblenz-Landau. „Auch Landwirte haben schließlich ein großes Interesse an einer intakten Natur und wollen Amphibien schützen, die schädliche Insekten vertilgen. Sie wollen daher Pestizide einsetzen, die diese nicht gefährden.“
„Aufgrund dieser Ergebnisse empfiehlt das UBA eine Überarbeitung der EU-Leitfäden zur Risikobewertung von Pestiziden. Neben einer Änderung der Zulassungspraxis ist es wichtig, Lebensräume stärker zu vernetzen und Gewässerschutzstreifen in der Agrarlandschaft anzulegen“, betont UBA-Chef Flasbarth. Günstig würde sich auch die Ausweitung des ökologischen Landbaus auswirken, da die Biolandwirtschaft ganz auf den Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide verzichtet. Diese Ziele verfolgt auch die vom EU-Landwirtschaftskommissar angestoßene Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik. Eine ambitionierte Umsetzung der Vorschläge aus Brüssel trägt somit auch zum Erhalt der Amphibien bei.
Quelle: NABU
http://www.nabu.de/tiereundpflanzen/amphibienundreptilien/news/15533.ht…
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