Sorge um das Weseler Niederwild - Bodenbrüter benötigen Insekten für ihre Brut

Die Kreisjägerschaft schlägt Alarm. Viele bodenbrütende Vögel, aber auch Feldhasen, haben kaum noch Chancen, ihren Nachwuchs aufzuziehen. Fliegenschwärme, eine aktuelle Mückenplage – derzeit mag man es kaum glauben, aber: Es gibt tatsächlich zu wenig Insekten, vor allem im Frühjahr. „Die Bodenbrüter benötigen Insekten für ihre Brut“, erläutert Alfred Nimphius. In den ersten beiden Wochen nach dem Schlüpfen brauchen die Küken die eiweißhaltige Kost, fliegende Insekten, aber auch Ameisen und Ameiseneier. „Den Bodenbrütern fehlt das Futter“, sagt der Vorsitzende der Kreisjägerschaft und nennt damit eines der Probleme für Fasane und Kiebitze. „Herbizide und Pestizide, legal von der Landwirtschaft eingesetzt, haben die Insektenwelt um 70 Prozent schrumpfen lassen.“ Man glaubt es nicht? Nimphius nennt einen Beweis: „Wenn Sie früher in der Dämmerung gefahren sind, mussten Sie hinterher die Windschutzscheibe von Insekten befreien....“ In der Regel ist das inzwischen vorbei.

Doch nicht nur fehlendes Futter ist ein Problem für Bodenbrüter und Niederwild – Fasane und Feldhasen werden immer weniger, beklagt nicht nur die Kreisjägerschaft. Moderne Strukturen des Lebensmittelanbaus sind ein Punkt dabei. „Früher hatten sie kleine Felder von zwei bis fünf Hektar Größe und dazwischen Streifen. Das gibt es heute nicht mehr.“ Ackerrandstreifen fehlen, sind zu schmal oder zu wenige. „Es gibt keine Brennnesseln oder Disteln dort, alles wird klinisch rein gemacht.“ Dort, wo früher die Feldlerche ein geschütztes Plätzchen zum Brüten gefunden habe, wird jetzt gemäht. Ergebnis: Die Bodenbrüter, denen das Futter fehlt, werden selbst zum Futter. Sie finden keinen Schutz mehr vor ihren Feinden, unter anderen den Füchsen und Krähen.

Das betrifft nicht nur Vögel: Anders als bei Kaninchen, die ihre Jungen zumindest eine Zeit lang in schützenden Bauten aufziehen, werden junge Feldhasen auf dem offenen Land geboren. „Die Krähen finden jedes Junge“, erläutert Nimphius, und auch der Fasanen-Nachwuchs ist vor ihnen, aber auch vor den Füchsen nicht sicher. „Die Balance stimmt nicht mehr“, sagt Nimphius. Zwar gibt es die gesetzliche Möglichkeit, Fasane zu züchten und auszuwildern, um den Bestand aufzufrischen. „Mir ist kein Revier bekannt, in dem das gemacht wird.“ Der Grund? „Die ausgewilderten Vögel sind dämlich.“ Tatsächlich könnten sie sich in der Regel in der Natur nicht behaupten, seien leichte Beute, „80 Prozent werden Fuchsfutter“.

Jäger reagieren auf die Entwicklung, indem sie Niederwild kaum noch bejagen. Die Krähenjagd ist ein mühsames Unterfangen, denn diese Tiere sind hochintelligent. „Das ist etwas für jüngere Jäger, es geht schon morgens im Dunkeln los.“ Und die Fuchsjagd ist von der Landesregierung eingeschränkt worden.

Also keine Hoffnung für das Niederwild? Die Landwirtschaft wird sich von heute auf morgen nicht umkrempeln lassen und kaum zum Klein-Klein vergangener Jahrhunderte zurückkehren können. „Die Wildbiologische Forschungsstelle in Bonn forscht nach Wegen, wie dem Niederwild zu helfen ist“, sagt der Jäger.

Ein Ansatz sind geförderte Blühstreifen an den Ackerrändern, die mindestens sechs Meter breit sein müssen, mit Kornblume, Mohn, Kamille und Co. Ein endgültiger Durchbruch wird auch das nicht sein, die Suche geht weiter. Übrigens, eine Kleinigkeit hilft auch, wenn auch nur wenig: Hunde sollten nicht in Ackerrandstreifen oder auf Feldern laufen.

Quelle: WAZ.de , 19.07.16
http://www.derwesten.de/staedte/nachrichten-aus-wesel-hamminkeln-und-sc…