Rund 3700 Arten von Faltern oder Schmetterlingen (Lepidoptera) gibt es in Deutschland, darunter - neben der riesigen Zahl an Nachtfaltern und Kleinschmetterlingen - etwa 180 oft farbenprächtige Tagfalter, die überwiegend tagsüber unterwegs sind. Doch die Vielfalt schwindet: In Bayern wurden seit 1766 etwa 3250 Arten nachgewiesen. "Ab 2001 fanden wir nur noch 2819 Arten. Weit mehr als 400 Spezies sind nicht mehr nachweisbar, was einem Rückgang von 13 Prozent entspricht", sagt Jan Christian Habel von der Technischen Universität München. Er und seine Kollegen haben die Gegend um den Keilstein bei Regensburg untersucht, ein Naturschutzgebiet, das für seinen Reichtum an Schmetterlingen bekannt ist.
Die Bestände würden kleiner: Flatterten in den 1840er Jahren noch 117 Arten von Tagfaltern und Widderchen - tagaktive Kleinschmetterlinge - am Keilberg, so waren es um 2010 nur noch 71, wie das Team im Fachblatt "Conservation Biology" berichtet. Das entspricht einem Rückgang der Artenvielfalt um 40 Prozent.
Der Trend betreffe auch andere europäische Länder, sagt Thomas Schmitt vom Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut (SDEI) in Müncheberg bei Berlin: "Nach einer britischen Studie sind die Bestände des Kleinen Feuerfalters (Lycaena phlaeas) dort in 100 Jahren um 96 Prozent geschrumpft. Beim Gemeinen Bläuling (Polyommatus icarus) ist die Entwicklung ähnlich."
Jeremy Thomas von der Universität Oxford berichtete kürzlich im Wissenschaftsblatt "Science", in der englischen Grafschaft Sussex seien im späten 19. und im 20. Jahrhundert 42 Prozent der dort vorkommenden Arten ausgestorben.
"Nur solche Langzeitbeobachtungen können das ganze Ausmaß der Katastrophe zeigen", sagt Habel. "Die Beobachtung über einen Zeitraum von 200 Jahren bestätigt den allgemeinen Trend, dass gerade die spezialisierten Arten stark rückläufig sind."
Solche Spezialisten wie etwa Vertreter der Perlmutterfalter, diverse Scheckenfalter und Bläulinge sind von ganz bestimmten Futterpflanzen und Lebensräumen abhängig. Im Gegensatz dazu können Generalisten wie das Große Ochsenauge (Maniola jurtina), der Schachbrettfalter (Melanargia galathea) oder der Kleine Heufalter (Coenonympha pamphilus) Veränderungen besser verkraften.
Traurige Bilanz
Die rückläufigen Zahlen zeigen nicht nur den Trend für Regensburg, sondern für das ganze Bundesland und auch für die anderen Faltergruppen, sagt Ko-Autor Andreas Segerer.
"In ganz Bayern sinken die Artenzahlen, und auch bei den vorhandenen Arten schrumpfen die Bestände", sagt der Experte der Zoologischen Staatssammlung München, der erst im März einen Schmetterlingskatalog für Bayern veröffentlicht hatte.
Dazu zählt etwa der nach der Region benannte Regensburger Gelbling (Colias myrmidone), auch Orangeroter Heufalter genannt.
Die zeitliche Aufschlüsselung zeigt, wie sehr sich dieser Trend beschleunigt: Bis Ende des 19. Jahrhunderts verschwanden demnach 53 Arten, von 1900 bis 1970 waren es 138 Spezies, und von 1971 bis 2000 tauchten 226 Arten nicht mehr auf, rechnet Segerer vor und zieht die traurige Bilanz: "In den letzten 30 Jahren des 20. Jahrhunderts sind mehr Arten verschwunden als in den beiden Jahrhunderten zuvor."
Quelle: Spiegel Online, 28.07.16
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/umwelt-das-verschwinden-der-sc…
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