Die Futterstellen in den Gärten bleiben seit einigen Monaten weitgehend leer

Wenn es um Vögel geht, sind Wolfgang Sprick und Dieter Blomenkamp Experten. Seitdem sie denken können, füttern die beiden Versmolder in ihren benachbarten Gärten Vögel und können mühelos sämtliche Arten wie Erlenzeisige, Schwanzmeisen oder Kleiber identifizieren. Doch seit einigen Monaten blicken sie eher mit sorgenvollen Mienen zu den Futterstellen – denn die Vögel bleiben aus. Es sei kein schleichender Rückgang, sondern wirklich ganz plötzlich, sagt Wolfgang Sprick. Und er kann es belegen, denn der Rentner führt genau Buch über die Futtermengen, die er übers Jahr anschafft und an die Vögel verteilt. Von Juli 2015 bis Juni 2016 hat er 329 Kilogramm geschälte Sonnenblumenkerne, Weizen, Haferflocken und Pflanzenfett verfüttert. „In den vergangenen sechs Monaten waren es alles in allem erst 23 Kilo", erzählt er. Auch Dieter Blomenkamp berichtet ähnliches. Kamen die Meisen bisher immer in großen Gruppen, verirren sich nun maximal zwei Amseln und ein paar Meisen an seine Futterstellen. Und das, obwohl sich in seinem Garten nichts verändert hat. „Wir haben eigentlich einen relativ naturnahen Garten", sagt er. Und auch Wolfgang Sprick berichtet von Igeln, Eichhörnchen und Fledermäusen, die sich auf seinem Grundstück wohlfühlen und offenbar auch ausreichend Nahrung finden.

Nur wenn es darum geht, Gründe für das Ausbleiben der Vögel zu finden, sind die beiden Männer ratlos. „Wir haben nicht mehr Katzen hier als früher auch und die haben sowieso fast nie Vögel gefangen. Und auch der Vogelnachwuchs im Sommer hat sich wie gewohnt eingestellt. Von vier Brutkästen waren drei besetzt", sagt Wolfgang Sprick. Lediglich eine größere Zahl von Raubvögeln wie Sperber und Elstern sei ihm aufgefallen.

Mit ihren Beobachtungen sind Dieter Blomenkamp und Wolfgang Sprick nicht alleine. Auch von Bekannten aus Peckeloh oder Bielefeld hören sie ähnliche Geschichten. Nur eine Erklärung dafür finden sie nirgends.

Die hat auch Bernhard Walter nicht. Der Leiter der Biologischen Station Gütersloh/Bielefeld bekommt in den letzten Wochen viele Anrufe von besorgten Hobbyornithologen aus Halle, Steinhagen oder Bielefeld. Alle berichten vom Ausbleiben der Vögel. Um deshalb in Panik zu verfallen sei es aber noch zu früh, beschwichtigt er. „Wir haben keine belastbaren Daten dazu", sagt er, als das Haller Kreisblatt ihn nach einer Erklärung fragt. Es könne tatsächlich sein, dass die Vögel nicht da seien – oder sie fressen einfach woanders. „Vögel sind flexibler als man denkt", sagt er. Wenn sich in den Wäldern zum Beispiel große Mengen an Bucheckern oder Eicheln finden lassen, dann könne es durchaus sein, dass sie ihre gewohnten Futterstellen von einem Tag zum nächsten nicht mehr aufsuchen. „Erst wenn eine Schneedecke liegt und sie trotzdem nicht zu den Futterstellen kommen, dann kann man schon sicherer sagen, dass es wirklich weniger sind", sagt er.

Was allerdings jetzt schon feststeht, ist dass der Bruterfolg in diesem Jahr „der schlechteste war, den wir je hatten", so Walter. Die extremen Witterungsschwankungen, die Wechsel zwischen starker Nässe und heftiger Trockenheit, hätten den Vögeln zugesetzt. Besonders kleine Arten wie Meisen seien darauf angewiesen, dass jedes Jahr viele Jungvögel schlüpften, damit sich die Population über den Winter halten könne, erklärt der Vogelexperte. In guten Jahren könnten die Kleinvögel ein Absinken der Population wieder aufholen. Wenn im Sommer allerdings viele Nistkästen leer bleiben sollten, wäre das ein deutliches Alarmsignal. Das zu dem Rückgang durch Flächenfraß und die veränderte Landschaft obendrauf käme.

Eines kann Bernhard Walter aber mit Sicherheit ausschließen: „Von einem Massensterben oder davon, dass viele tote Vögel gefunden werden, hat man bisher noch nichts gehört."

Quelle: Haller Kreisblatt, 20.12.16
http://www.haller-kreisblatt.de/lokal/versmold/21518421_Wo-sind-all-die…