Biologen der Universität Regensburg untersuchten in einer Studie die Wirkung des Insektizids Imidacloprid auf parasitische Wespen, die andere Insekten parasitieren und so quasi als natürliche Schädlingsbekämpfer dienen. Sie fanden heraus, dass selbst geringste Mengen des Wirkstoffes die Wahrnehmung von chemischen Signalen bei den Insekten stören, so dass sie nicht mehr in der Lage sind, Paarungspartner und Wirte für die Eiablage zu finden. „Was uns nicht tötet, härtet uns ab.“ Diese häufig gebrauchte Floskel gilt nicht unbedingt für Insekten, wenn sie mit geringen Dosen hochwirksamer Insektizide, sogenannten Neonicotinoiden, in Kontakt kommen. Viele Insektizide sind Nervengifte, die z. B. die Sinneswahrnehmung oder die Muskelfunktion von Tieren beeinträchtigen.
Wirkstoffe wie das Insektizid Imidacloprid können sich in der Umwelt anreichern und mit Organismen in Kontakt kommen, gegen die sie ursprünglich gar nicht eingesetzt wurden. Wirkstoffe aus der Gruppe der Neonicotinoide stehen aktuell besonders im Fokus, da für sie bereits zahlreiche negative Effekte auf Bienen und andere Bestäuber nachgewiesen wurden. Forscher der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Joachim Ruther, Professur für Chemische Ökologie an der Universität Regensburg, konnten jetzt zeigen, dass auch andere Nutzinsekten durch geringe Dosen des Wirkstoffs Imidacloprid geschädigt werden. Sie untersuchten die Wirkung von Imidacloprid auf die Wahrnehmung chemischer Signale bei der parasitischen Wespe Nasonia vitripennis.
Parasitische Wespen spielen als natürliche Feinde anderer Insekten eine wichtige Rolle für das Funktionieren von Ökosystemen, indem sie die Dichte und Ausbreitung ihrer Wirte natürlich regulieren. Die Regensburger Forscher fanden heraus, dass Wespenweibchen, die mit geringsten Dosen von Imidacloprid behandelt wurden, den männlichen Sexuallockstoff nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr wahrnehmen. Zudem können die weiblichen Wespen ihre Wirte nicht mehr über den Geruch lokalisieren. Auch in ihrem Balzverhalten sind die Wespen durch das Insektizid eingeschränkt, so dass es, abhängig von der Dosis, in bis zu 80 % der Experimente zu gar keiner Paarung mehr kam. „Diese Einschränkungen des Geruchssinns, die wir im Labor festgestellt haben, dürften auch in der Natur drastische Folgen für den Fortpflanzungserfolg der Wespen haben“, erklärt Professor Dr. Joachim Ruther. Dies würde dann wahrscheinlich auch die wichtige Funktion dieser Tiere als natürliche Schädlingsbekämpfer beeinträchtigen. „Wir befürchten zudem, dass die Effekte nicht nur auf andere parasitische Wespen, sondern auf Insekten generell übertragbar sind“, so Ruther. Berücksichtigt man die Bedeutung des chemischen Sinnes für den Reproduktionserfolg von Insekten sowie ihre Rolle als Nahrungsquelle für andere Tiere, wie z. B. Singvögel, könnte das dramatische Folgen für die Umwelt haben.
Bei der Massenproduktion von Agrarprodukten ist der Gebrauch von Insektiziden weit verbreitet, um Nutzpflanzen vor Insektenbefall zu schützen. Die weltweit am meisten verwendete Wirkstoffklasse sind die so genannten Neonicotinoide, chemisch relativ stabile Nervengifte, mit denen oft Saatgut behandelt wird. Nach dem Auskeimen werden die Wirkstoffe über die Pflanzenwurzeln aufgenommen und finden sich in geringen Mengen auch in Nektar und Pollen.
Die Zulassung der drei wichtigsten Neonicotinoide Imidacloprid, Thiamethoxam und Clothianidin wurde 2013 von der Europäischen Union für solche Pflanzen ausgesetzt, die attraktiv für Bienen sind, da die Wirkstoffe bereits in nicht tödlichen Mengen negative Effekte auf Bienen und andere Bestäuber haben. Neonicotinoide werden daher auch in Zusammenhang mit dem derzeit beobachteten Rückgang von Wildbienen gebracht.
Die Ergebnisse der Studie wurden gerade in der renommierten Fachzeitschrift „Scientific Reports“ veröffentlicht (Scientific Reports 7:42756. DOI: 10.1038/srep42756)
Titel der Studie: Tappert, L., Pokorny, T., Hofferberth J. & Ruther, J. (2017) „Sublethal doses of imidacloprid disrupt sexual communication and host finding in a parasitoid wasp.“
Ansprechpartner für Medienvertreter:
Prof. Dr. Joachim Ruther
Universität Regensburg
Professur für Chemische Ökologie
Telefon: 0941 943-2151
E-Mail: Joachim.Ruther@ur.de
Quelle: Innovations - Report, 15.02.17
http://www.innovations-report.de/html/berichte/biowissenschaften-chemie…
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