In den 1950er Jahren vertrat die Farbstoffkommission der DFG unter der Leitung des Biochemikers Adolf Butenandt und des Pharmakologen Hermann Druckrey eine Politik der Risikovermeidung in Bezug auf Lebensmittelzusatzstoffe. Sie rekapitulierte damit einen Diskurs über „Gift in der Nahrung“ und eine zivilisationskritische Deutung eines inneren Zusammenhangs zwischen Fremdstoffen und Krebsentstehung, der bereits zu Beginn der 1930er Jahre ausformuliert worden war. Narrative der Reinheit und Kontamination wurden dabei in mathematische Modelle (Dosis-Zeit-Wirkungs-Gesetz) und legislative Maßnahmen (Novelle des Lebensmittelgesetzes 1958) übersetzt. Mit der Organisation EUROTOX und im Rahmen des JECFA versuchte Druckrey eine Pharmakologie des Krebses auch auf globaler Ebene zu installieren. Ende der 1950er Jahre wurde jedoch diese puristisch-präventive Risikopolitik durch das Primat des Ökonomischen zurückgedrängt. Mit der Ersetzung von Druckreys
Dosis-Zeit-Wirkungsgesetz durch den flexibleren Acceptable Daily Intake setzte sich eine industrie- und handelsfreundliche Politik der Risikokalkulation gegen die Politik der Risikovermeidung durch, die seitdem vor allem von der in diesem Kontext erst entstehenden Verbraucherbewegung vertreten wurde.
Quelle:
PD Dr. Heiko Stoff. “Zur Kritik der Chemisierung und Technisierung der Umwelt. Risiko- und Präventionspolitik von Lebensmittelzusatzstoffen in den 1950er Jahren”
TG Technikgeschichte, Seite 229 – 250
Institut für Geschichte, Ethik und Philosophie der Medizin
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