Langzeitrisiken von Imidacloprid unterschätzt

Der Toxikologe Dr. Henk Tennekes weist in einer aktuellen Studie nach, dass die Langzeitrisiken der Insektizide Imidacloprid und Thiacloprid weitaus größer sind, als bislang angenommen. In der Studie "The significance of the Druckrey-Küpfmüller equation for risk assessment - The toxicity of neonicotinoid insecticides to arthropods is reinforced by exposure", erklärt Tennekes das gängige Verfahren zur Bestimmung der Auswirkungen von bestimmten Dosen eines Wirkstoffs auf einen ausgewählten Organismus. Er belegt, dass die Expositionsdauer einen wesentlichen Einfluss darauf hat, wie hoch eine Dosis sein muss, um einen schädigenden Effekt auf den Testorganismus auszuüben. Setzt man beispielsweise Honigbienen über einen längeren Zeitraum einer niedrigen Konzentration von Imidacloprid aus, so kommt es zu letalen Effekten obgleich die Gesamtbelastung 60-6000mal unterhalb der Dosis liegt, die den gleichen Effekt in Testverfahren zur Ermittlung der akuten Toxizität hat.

Das Risiko von Pestiziden wie Imidacloprid und Thiacloprid wird demnach erheblich unterschätzt. Dies gilt besonders für Wasserlebewesen, Bodenorganismen und Bienen. Die bislang gültigen Grenzwerte wurden weitgehend aus Kurzzeit-Tests abgeleitet. Würde man Langzeit-Versuche durchführen, könnten schon bei wesentlich geringeren Konzentrationen verheerende Schäden auftreten.

Tennekes kommt in seiner Studie zu dem Schluss, dass die Belastung mit niedrigen Neonicotinoid-Dosen einen negativen Einfluss auf das Sammelverhalten und das Lernvermögen von Honigbienen haben können und somit in Folge subletale Imidacloprid-Konzentrationen sich schädigend auf die Bienenkolonie auswirken und dadurch den Zusammenbruch einer Kolonie verursachen können.

Neonicotinoide Insektizide binden fast vollständig und nahezu irreversibel an die nicotinischen Acetylcholin-Rezeptoren und blockieren diese damit. Bei Neonicotinoiden kommt es ähnlich wie bei Cancerogenen mit der Zeit zu einer enormen Wirkungsverstärkung. Imidacloprid hat eine ausgeprägte Persistenz und Mobilität im Boden und kann im gelösten Zustand ins Grundwasser verlagert werden. In Holland ist die Belastung von Oberflächengewässern mit Imidacloprid teilweise extrem und gefährdet Insekten. Die Belastung von Oberflächengewässern mit Imidacloprid korreliert mit einer Abnahme der Diptera (Zweiflügler) Abundanz. Seit der Einführung der neonicotinoiden Insektizide wurde ein starker Rückgang der Schmetterlinge beobachtet. Viele von Insekten abhängige Vogelarten in Holland sterben aus oder zeigen gravierende Bestandsrückgänge (in sehr unterschiedliche Habitats).

Vortrag von Henk Tennekes am 16. September 2010 in Castel San Pietro Terme (Bologna), Italien:
http://www.informamiele.it/images/stories/interventi_abstract/TENNEKES%…

Vortrag von Henk Tennekes am 16. Februar 2011 in Heidelberg (Institute of Public Health): siehe Beilage
Youtube Video des Vortrags in Heidelberg:
http://www.youtube.com/watch?v=1DJt78yzT1o

Die Studie The toxicity of neonicotinoid insecticides to arthropods is reinforced by exposure time erschien am 23. Juli in dem Fachmagazin Toxicology (Beilage). Dr. Henk Tennekes zu seinen Ergebnissen: "Das Risiko von Pestiziden wie Imidacloprid und Thiacloprid wird wahrscheinlich enorm unterschätzt, besonders für Wasserlebewesen und Bodenorganismen. Die bislang gültigen Grenzwerte wurden weitgehend aus Kurzzeit-Tests abgeleitet. Würde man Langzeit-Versuche durchführen, könnten schon bei wesentlich geringeren Konzentrationen verheerende Schäden auftreten. Damit kann erklärt werden, wieso schon geringe Mengen Imidacloprid längerfristig Bienensterben verursachen können“. Tennekes zeigt sich besorgt über die hohe Belastung von Oberflächengewässern mit schwer abbaubaren Agrochemikalien. So wiesen Messungen der niederländischen Umweltbehörde bis zu 320 Mikrogramm Imidacloprid pro Liter (µg/l) nach (siehe Beilage). Der EU-Grenzwert für Trinkwasser hingegen liegt bei 0,1 µg/l.

Quellen:
PAN Germany, Susan Haffmans, 31.10.2010:
http://www.pan-germany.org/deu/~news-1046.html

Saarländische Online-Zeitung, 29.07.2010
http://www.s-o-z.de/?p=27063

Siehe auch: Neues Deutschland, 02.08.2010
http://www.neues-deutschland.de/artikel/176512.pestizide-leben-laenger…
sowie: Faktuell, 02.08.2010
http://www.faktuell.de/index.php/weltnachrichten/127