Schwangerschaft: Studie prüft Autismus-Risiko unter SSRI

Die Einnahme von Antidepressiva im zweiten oder dritten Trimenon der Schwangerschaft kann möglicherweise das Risiko der Kinder, später an Autismus zu erkranken, nahezu verdoppeln. Hinweise darauf liefert eine Kohortenstudie, deren Ergebnisse im Fachmagazin «JAMA Pediatric» veröffentlicht wurden. Die Wissenschaftler um Professor Dr. Anick Bérard von der Universität Montreal werteten für ihre Untersuchungen die Daten von mehr als 145.000 Kindern aus, die zwischen 1998 und 2009 in Quebec geboren wurden. 3 Prozent dieser Kinder waren während der Schwangerschaft Antidepressiva ausgesetzt, 89 Prozent von diesen während des ersten Trimenons und 54 Prozent im zweiten und/oder dritten Trimenon. Bei insgesamt 0,7 Prozent aller Kinder (bis zu einem Durchschnittsalter von 6,2 Jahren) wurde später die Diagnose einer Autismus-Spektrum-Störung gestellt. Jungen erkrankten viermal häufiger als Mädchen.

Auffällig war, dass in der Gruppe der Kinder, deren Mütter in den letzten sechs Monaten der Schwangerschaft Antidepressiva eingenommen hatten, die Autismus-Rate bei 1,2 Prozent und damit um 87 Prozent höher lag. Daher liegt die Vermutung nahe, dass Antidepressiva die normale Hirnentwicklung des Fetus, die circa drei Monate nach Schwangerschaftsbeginn einsetzt, beeinträchtigen. Dafür spricht, dass kein Zusammenhang gefunden wurde, wenn die Antidepressiva vor Beginn beziehungsweise im ersten Drittel der Schwangerschaft eingenommen wurden. Besonders ausgeprägt war die erhöhte Autismus-Rate bei Anwendung von Antidepressiva aus der Klasse der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI). Serotonin ist an zahlreichen Entwicklungsprozessen beteiligt, unter anderem auch an der Bildung von Synapsen. Zudem sind SSRI plazentagängig.

Weitere Studien müssen nun zeigen, ob die Einnahme von SSRI im zweiten und dritten Trimenon einer Schwangerschaft tatsächlich mit einem Gefährdungspotenzial assoziiert ist. Auch die Grunderkrankung der Mutter – die Depression – könnte sich negativ auf die Entwicklung des Kindes ausgewirkt haben. Denn neben einer genetischen Disposition werden als Ursachen eines Autismus verschiedene Umwelteinflüsse während der Schwangerschaft, zum Beispiel Pestizide, Feinstaub oder Bisphenol A, sowie eine schwere Depression der Schwangeren diskutiert. (rt)

DOI:10.1001/jamapediatrics.2015.3356
Quelle: Pharmazeutische Zeitung, 21.12.15
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=61397