Es gibt zu viele Pestizide in den Schweizer Gewässern

Nur einem Viertel unserer Fliessgewässer geht es gut bis sehr gut. In der Mehrzahl der Bäche und Flüsse leiden die Fische. Wir beklagen es seit Jahren: Im Mittelland haben wir rund zwei Drittel der Salmonidenbestände verloren. Unwiederbringlich? Die NAWA-Untersuchungen ergeben ein unterschiedliches Bild des ökologischen Zustands der Schweizer Fliessgewässer: Die Belastung mit Nährstoffen hat abgenommen, die Belastung durch Mikroverunreinigungen wächst und die biologische Gewässerqualität ist mehrheitlich ungenügend. Die Nationale Beobachtung Oberflächengewässerqualität (NAWA) ist ein gemeinsames Monitoringprogramm von Bund und Kantonen. Der vorliegende Bericht präsentiert die Ergebnisse der Erhebungen zwischen 2011 und 2014 an den rund 100 Messstellen an mittelgrossen und grossen Fliessgewässern. Die aufgezeigten Defizite belegen, dass die Gewässer nicht überall in der Lage sind, ihre für Mensch und Ökosysteme wichtigen Funktionen zu erfüllen.

Nachdem wir Fischer Ende der 1960er-Jahre die erste Volksinitiative gegen die Gewässerverschmutzung lanciert hatten, ging es vorwärts mit dem Bau und Ausbau von Kläranlagen.
Franziska Schwarz, Bafu-Vizedirektorin, formuliert die positive Seite im Vorwort zum NAWA-Bericht wie folgt: «Sommer für Sommer baden wir alle mit grösstem Vergnügen in unseren Flüssen und Seen. Und die Qualität unseres Trinkwassers ist derart gut, dass im Vergleich zum Mineralwasser qualitativ kein Unterschied auszumachen ist. Die Schweizerische Gewässerschutzpolitik ist unbestritten eine Er­folgs­geschichte.»
Aber dann relativiert sie: «Wissenschaftliche Studien lassen Zweifel aufkommen. Sie belegen, dass durch menschliche Aktivitäten eine grosse Anzahl von Stoffen als Mikroverunreinigungen in die Gewässer gelangt. Stoffe, die bereits in kleinen Mengen Flora und Fauna beeinträchtigen können. Gerade deshalb stellen sie eine grosse He­rausforderung für den Gewässerschutz dar. Wichtigste Quellen dieser Stoffe sind die Landwirtschaft und die Abwasserreinigungsanlagen. Viele ARAs sollen deshalb künftig technisch aufgerüstet werden. Darüberhinaus wirkt sich seit Jahrzehnten auch die Wasserkraftnutzung negativ auf den Lebensraum Gewässer aus. Verbauungen und künstliche Hindernisse haben zudem zur Folge, dass die heutige Struktur unserer Gewässer vielerorts kaum mehr etwas mit ihrem natürlichen Zustand zu tun hat. Die stofflichen und strukturellen Beeinträchtigungen zeigen negative Folgen für die Lebewesen in den Gewässern: Arten verschwinden, Fische verweiblichen oder sind in ihren angestammten Lebensräumen nicht mehr auffindbar.»

Die Lebensbedingungen für die Fische sind nicht überall gut: nur knapp ein Drittel der NAWA-Messstellen erhielten eine gute oder sehr gute Bewertung. Je nach Bioindikatoren zeigten sich aber sehr unterschiedliche Resultate des biologischen Zustands (siehe Grafik). Gemäss den Indikatoren Makrozoobenthos (Wirbellose) und Makrophyten (Wasserpflanzen) wurden knapp zwei Drittel der Messstandorte positiv bewertet. Somit war gemessen an den biologischen Parametern die Funktionsfähigkeit der Gewässer an mindestens 30 Prozent der rund 100 NAWA-Messstellen ungenügend.

Tendenziell am stärksten beeinträchtigt ist der Zustand der Mittellandgewässer. Dies erstaunt nicht, befinden sich doch die anthropogen am stärksten beeinflussten Regionen der Schweiz im Mittelland. Insgesamt zeigten die Bewertungen der NAWA-Messstellen, dass sich der Zustand besonders dann verschlechtert, wenn der Abwasseranteil eines Gewässers hoch, sein Einzugsgebiet stark besiedelt und durch eine intensive Landwirtschaft geprägt oder die Strukturvielfalt ungenügend ist. Gerade für die Fische mit ihren hohen Ansprüchen an die Qualität des Lebensraums spielen jedoch auch Defizite in der Durchgängigkeit oder Vernetzung der Gewässer sowie Abflussschwankungen und Veränderungen im Geschiebetransport eine mindestens ebenso grosse Rolle.
Quelle: Petri-Heil, 03.10.16
http://www.petri-heil.ch/wie-schlecht-geht-es-unseren-fischen/