Naturschützer fürchten Frühling ohne Schmetterlinge

Wenn Frank Baum aus Staufen in seinen Garten ging, fehlte es ihm an bunter Gesellschaft. Die Schmetterlinge machten sich rar. Den kleinen Fuchs oder das Tagpfauenauge suchte der Biochemiker vergeblich. Jetzt hat Baum sich zusammen mit anderen Naturschützern an die Landesregierung gewandt, um etwas gegen das Insektensterben zu unternehmen. Sie wollen erreichen, dass bestimmte Pflanzenschutzmittel dauerhaft verboten werden. Ansonsten befürchten sie einen Frühling ohne Schmetterlinge.

Die Worte von Winfried Kretschmann machten Frank Baum Hoffnung. Der Ministerpräsident sprach im November auf dem Parteitag der Grünen über das Insektensterben. Das Thema ist bekannt, auch auf hoher politischer Ebene. Eine Lösung ist noch nicht in Sicht. Frank Baum ist Mitglied des Freiburger Entomologischen Arbeitskreises, die Insektenforscher haben sich in einem offenen Brief an Teile der Landesregierung gewandt.

Sie wollen erreichen, dass die mögliche Wiederzulassung von drei sogenannten Neonikotinoiden verhindert wird. Das sind Pflanzenschutzmittel und "für Insekten sind sie hochgradig toxisch", so Baum. 2008 löste der Einsatz der Stoffe in der Rheinebene wohl ein Bienensterben aus. Von 2013 bis 2015 verhängte die EU-Kommission ein Moratorium. Doch auch wenn sie in der Zeit nicht genutzt wurden: die Stoffe sind langlebig.

Baum spürt die Folgen nicht nur in seinen Garten. Dieses Jahr wollte ein Fernsehteam mit ihm als Experten über besondere Käferarten drehen. "Das ist mir nicht gelungen, ich hab die Arten nicht gefunden", berichtet er. Weder am Ölberg in Ehrenkirchen noch am Schlossberg in Staufen habe er welche entdeckt. In der vom Weinbau geprägten Umgebung werden zwar keine Neonikotinoide eingesetzt, die Maisfelder der Rheinebene, wo die Pestizide vorkamen, sind aber nicht weit. Baum hält es für möglich, dass der Wind den Stoff dorthin wehte.

Die Unterstützer des Briefes, unter anderem zählen auch die Landesverbände von BUND und NABU dazu, hoffen, dass sie bei der Landesregierung Gehör finden. Eine Reaktion gab es bisher nicht, das beunruhigt die Verfasser aber nicht. Der Brief wurde erst unmittelbar vor Weihnachten abgesendet. Baum hofft, dass die Landesregierung im Bundesrat aktiv wird.

Zugleich weiß er, dass ihr Anliegen kein leichtes ist. "Die andere Seite ist mächtig", sagt er. Er spricht von den Herstellern der Pflanzenschutzmittel.
Auch wer kein Experte ist, könne das Insektensterben erkennen. Autofahrer merken, dass weniger tote Insekten an der Windschutzscheibe kleben. Verlässliche Zahlen für Baden-Württemberg gibt es noch nicht. In Nordrhein-Westfalen gab es jedoch eine Langzeitstudie. Das Ergebnis zeigte, dass dort seit 1989 die reine Biomasse an Insekten um 80 Prozent schrumpfte.

Für das Insektensterben gebe es aber mehrere Gründe, das wird auch in dem Brief an die Landesregierung betont. Alexandra-Maria Klein, Professorin für Naturschutz und Landschaftsökologie an der Universität Freiburg erläuterte etwa jüngst gegenüber der BZ, dass Pestizide sicher eine Rolle spielen. Doch es fehle der wissenschaftliche Beweis, wie genau sie auf die Insekten in der Natur wirken.

Die Intensivierung der Landwirtschaft ist auch einer der möglichen Gründe für den Rückgang der Insekten. Gerade Obstbauern sind jedoch auf Insekten angewiesen. "Viele landwirtschaftliche Nutzpflanzen müssen bestäubt werden", erläutert Baum.

Das Insektensterben wirkt sich auch auf das Ökosystem aus. Baum sah dieses Jahr nicht nur weniger Schmetterlinge, sondern auch weniger Vögel. Ein möglicher Grund: Die Insekten, die ihnen als Nahrung dienen, sind gestorben. Insekten sind aber auch als Zersetzer wichtig, zur Erhaltung der Bodenqualität, außerdem fressen sie Schädlinge.

"Die Insektenwelt ist schon jetzt so weitgehend dezimiert, dass es wahrscheinlich Jahre, wenn nicht Jahrzehnte brauchen wird, bis ihre Vielfalt wieder einigermaßen hergestellt ist", heißt es in dem Brief.

Die Entscheidung über das Verbot der Pflanzenschutzmittel fällt in Brüssel. Ein Verfahren der Europäische Kommission, das prüft, ob die Neonikotinoide wieder zugelassen werden, beginnt in diesem Januar. Die genaue Wirkung sei für die europäische Behörde nicht ausreichend untersucht, berichtet Baum: "Es kann sein, dass die Kommission sagt, dass wir immer noch nicht genug wissen, um die Stoffe zuzulassen", fährt er fort. Das wäre für ihn und seine Kollegen ein Erfolg.
Die Forderung des offenen Briefs zielt aber auf ein permanentes Verbot. "Wir haben versucht, nochmal auf das bekannte Problem hinzuweisen", betont Baum. Vergleichbare Aktionen wie der Brief plane der Arbeitskreis für die nahe Zukunft nicht. "Aber wir werden dranbleiben, indem wir beobachten, wie es draußen aussieht", verspricht Baum.

Das geschieht auf einer Trockenaue bei Grißheim. In den 90er Jahren zählte man hier mehr als 2300 Käferarten. Über zehn Personen haben damals daran in Zusammenarbeit mit dem Regierungspräsidium Freiburg und der Landesanstalt für Umweltschutz gearbeitet. Wie viele Arten es heute sind, kann Baum nicht sagen.

Zwei ehrenamtliche Fachleute kümmern sich noch um das Gebiet. Sie seien zu dem Ergebnis gekommen, dass der Bestand stetig abnehme. "Weitergehende gründliche Untersuchungen müssen erfolgen", fordert Baum. In dem Brief wird eine bundesweite Überwachung von Insektengruppen angeregt. Zudem sollen auch die Rückstände der Pflanzenschutzmittel in Böden, Gewässern, Insekten und Pflanzen untersucht werden. Außerdem wird ein Forschungszentrum gefordert, das Ursachen des Insektensterbens betrachtet.
Quelle: Badische Zeitung, 04.01.2017
http://www.badische-zeitung.de/kreis-breisgau-hochschwarzwald/naturschu…