Kreisimkerverein Verden diskutiert über Artensterben - Henk Tennekes fordert die sofortige Abschaffung der Neonicotinoide

Mehr als 100 Interessierte Bürger und Imker sind der Einladung des Kreisimkervereins Verden ins Waldschlösschen nach Daverden gefolgt und haben einen äußerst interessanten, nachdenklich stimmenden Vortrag des bekannten niederländischen Toxikologen und Buchautors Henk Tennekes erlebt. In der anschließenden Podiumsdiskussion kamen neben dem Publikum Vertreter der konventionell arbeitenden Landwirte, des Nabu und der ökologischen Landwirtschaft, sowie ein Ethiker zu Wort. Sogar ein Vertreter der chemischen Industrie hatte den Weg nach Daverden gefunden und sich ins Publikum gemischt.

Henk Tennekes, der jahrelang in Deutschland und den Niederlanden in der Krebsforschung tätig war, hält die bisherige Verfahrensweise, Spritzmittel danach zu bewerten, ob eine sofortige unmittelbare Schädigung eines Lebewesens erfolgt, für nicht zutreffend und sogar gefährlich. Denn es gibt Gifte, die in Form von Spritzmitteln in die Umwelt gelangen, die so toxisch sind, dass sie selbst in kleinsten Mengen irreversible Schäden anrichten können und erst später zum Tode führen. Für diese Gifte, zu denen auch die Spritzmittel aus der Gruppe der Neonicotinoide gehören, darf es nach Tennekes Forderung keine Schwellenwerte geben, denn es gibt keine unschädliche Menge, die unbedenklich aufgenommen werden kann. Die Gifte würden von den Organismen wie Pflanzen, Insekten, Vögeln, Säugetieren und letztlich auch dem Menschen aufgenommen und lagerten sich an die Rezeptoren von Nervenzellen an. Von dort seien sie nicht mehr zu entfernen. Die Risikobewertung der Neonicotinoide durch das zuständige Bundesamt sei fehlerhaft und müsse sofort revidiert werden, so Tennekes.

Die Verwendung bestimmter Spritzmittel habe dazu geführt, dass es in den vergangenen Jahren einen kontinuierlichen Rückgang von Insekten zu verzeichnen gebe. Ein weiteres Problem sei die Belastung des Oberflächen- und Grundwassers mit immer mehr Giften, die die genannten irreversiblen, schädlichen Wirkungen auf Mensch und Tier haben. Wenn die Insekten, die ja am Anfang der Nahrungskette stehen, verschwänden, führe dies zwangsläufig zu Nahrungsengpässen bei Tieren, die Insekten auf ihrem Speiseplan haben. Die zwangsläufige Konsequenz: Ein nie gekanntes Artensterben habe eingesetzt. Tennekes veranschaulichte dies, indem er die Anzahl der Insekten, die in verschiedenen Jahren an identischen Plätzen beobachtet wurden, miteinander verglich. Hierbei wurde ein massiver zahlenmäßiger Rückgang der Insekten beobachtet. Auch die Qualität des Bodens, der ja letztlich für die Menschen die Grundlage der Nahrungsmittelproduktion ist, werde durch das Verschwinden der bodenlockernden Kleintiere immer schlechter, betonte der Experte. Ohne Regenwürmer und humusbildende Tiere werde die Ernte irgendwann ausfallen.

Am Ende des Vortrags stand die Aussage, dass Gift auf den Feldern und in der Nahrung nichts zu suchen hat und dass es bereits „fünf vor zwölf“ ist. Tennekes zitierte die bekannte Forscherin Jane Goodall mit den Worten: „Ich verstehe nicht, dass wir Menschen jemals glauben konnten, unsere Lebensmittel mit Giften zu produzieren sei eine gute Idee“.

Im Anschluss an den Vortrag kamen in einer von Peter Steffens, dem Vorsitzenden des Imkervereins Verden, moderierten Podiumsdiskussion die Vertreter verschiedener Interessengruppen zu Wort. Fazit des Abends für alle war, dass ein Umdenken durchaus notwendig sei und dass jeder – ob Verbraucher, Landwirt oder Hobbygärtner – einen kleinen Teil zur Lösung der beschriebenen Probleme beitragen könne. Doch kleine Schritte alleine reichen laut Tennekes nicht mehr aus.

Quelle: Weser Kurier, 22.10.2017
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