Das Schweizer Grundwasser ist mit Pestiziden und Dünger belastet

Stoffe aus der Landwirtschaft beeinträchtigen das Grundwasser «verbreitet und nachhaltig». Dies stellt der Bund in einer nationalen Untersuchung fest. Der Bericht hat politische Brisanz.

Das Wasser treibt die Schweizer Politik um. Nächstes Jahr stimmt die Bevölkerung über die Initiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung» ab. Die Initianten prangern die Verschmutzung durch Pestizide und Dünger an. Doch wie stark das Schweizer Grundwasser tatsächlich belastet ist, war bisher nicht flächendeckend geklärt. Die letzten Resultate für die ganze Schweiz wurden vor zehn Jahren publiziert. Nun liefert das Bundesamt für Umwelt (Bafu) neue Erkenntnisse.

Die Behörde veröffentlicht an diesem Donnerstag einen Bericht zum Zustand des Grundwassers, der die politische Debatte in den kommenden Monaten mitbestimmen wird. Der Bericht basiert auf Daten aus den Jahren 2007 bis 2014. An mehr als 600 Messstellen wurden in dieser Zeit Proben entnommen. Das Resultat: Das Grundwasser in der Schweiz ist verschmutzt, insbesondere durch Stoffe aus der Landwirtschaft.

Auch Pestizide wurden im Grundwasser nachgewiesen. An jeder zweiten Messstelle enthielten die Proben Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln oder Abbauprodukte davon, sogenannte Metaboliten.

Wie beim Nitrat konzentriert sich das Problem auf das intensiv bewirtschaftete Mittelland. Die Fachleute fanden in den Proben häufig Metaboliten von Herbiziden, die im Zuckerrüben- und im Maisanbau verwendet werden. Für Metaboliten definiert das Gewässerschutzgesetz keine Höchstwerte. Sie sind jedoch oft mobiler und langlebiger als die eigentlichen Wirkstoffe von Pestiziden, die nur an wenigen (2014 an neun) Stellen nachgewiesen wurden. Der Eintrag von Metaboliten ins Grundwasser müsse «verhindert beziehungsweise minimiert werden», heisst es im Bericht.

Verbreitet nachgewiesen wurde der Wirkstoff Atrazin, ein Herbizid, das seit 2007 nicht mehr zugelassen ist. Das Bafu schliesst aus der Langlebigkeit des Stoffes, dass es umso wichtiger sei, «problematische Entwicklungen frühzeitig zu erkennen». Ein anderer Problemfall, das Herbizid Chloridazon, wird beim Bund derzeit neu evaluiert. Die Europäische Union liess die Zulassung auf Ende 2018 auslaufen. Die Schweiz dürfte bis Ende Jahr nachziehen.

Bauernpolitiker bringen immer wieder das Argument an, dass Rückstände von Pflanzenschutzmitteln auch aus privaten Gärten und Grünanlagen ins Grundwasser gelangen. Das Bundesamt für Umwelt widerspricht dieser Darstellung. «Grossflächig werden Pflanzenschutzmittel nur in der Landwirtschaft angewendet», heisst es im Bericht. Auf Strassen, Plätzen und Privatwegen seien Herbizide gegen Unkräuter seit den 1990er Jahren verboten.

Selbst Bauernpolitiker räumen mittlerweile ein, dass beim Nitrat und bei den Pestiziden Handlungsbedarf bestehe. Doch wie dessen Umsetzung passieren soll, daran scheiden sich die Geister. Die Trinkwasserinitiative will die Überdüngung reduzieren, indem der Tierbesatz drastisch gesenkt wird. Bauern sollen keine staatliche Unterstützung mehr erhalten, wenn sie mehr Kühe, Hühner oder Schweine halten, als mit «betriebseigenem Futter» ernährt werden können. Auch wer Pestizide verwendet, soll auf Direktzahlungen verzichten müssen.

Das Bundesamt für Umwelt empfiehlt im Grundwasser-Bericht weniger radikale Massnahmen. Die Behörde fordert schweizweit schonendere Methoden in der Landwirtschaft. Regionale Projekte haben zum Beispiel gezeigt, dass weniger Nitrat ins Grundwasser sickert, wenn der Boden im Winter in Ruhe gelassen wird.

Bei den Pestiziden setzt das Bafu auf den Aktionsplan Pflanzenschutz des Bundes. Die Behörde appelliert auch an die Kantone. Diese müssen laut Bundesrecht Schutzzonen für das Grundwasser ausscheiden, tun das aber in vielen Fällen nicht. Auch Bauernpolitiker verweisen immer wieder auf dieses Problem. Ganz unschuldig sind sie an den fehlenden Schutzzonen aber nicht: Wo diese scheitern, scheitern sie oft am Widerstand der Bauern.

Quelle: NZZ / Angelika Hardegger, 14.8.2019
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